FLIGNUM
Endlosfaden aus Massivholz
Für ein Monofil aus Holz werden sehr lange Werkstücke mit besonders kleinem Querschnitt und großer Flexibilität benötigt. Deshalb verwenden wir als Ausgangsmaterial Flechtweidenschienen. Diese sind ca. 1,50 m lange feine Streifen mit einem unregelmäßigen Querschnitt von bis zu 7 mm Breite und 1 mm Dicke. Sie werden von Weidenruten gewonnen, indem sie über eine manuelle oder maschinelle Messervorrichtung tangential von der Außenseite des Zweigs abgespalten werden. So entsteht ein Fadenquerschnitt mit einer flachen Unterseite und einer Wölbung an der Oberseite. Diese Oberseite ist die geschälte, aber unverletzte Oberfläche der Weidenschiene. Sie bleibt unangetastet, da sie höheren Belastungen standhalten kann als eine durch Bearbeiten geöffnete Holzstruktur.
Die Holzanatomie der Flechtweide mit langen Zellen und langen Fasern sowie das in den schnell wachsenden Ruten naturgemäß sehr junge Holz tragen zur besonderen Flexibilität bei. Eine Weidenschiene kann geknotet werden. Während bei Baumhölzern aufwändiges Dämpfen und Stauchen notwendig ist, um ihre Flexibilität zu erhöhen, reicht bei Weiden einfaches Tauchen in Wasser. Der Flechtweidenanbau findet heute immer noch in fast jedem europäischen Land als Teil der Landwirtschaft statt. Flechtweiden können in Feldern auf eher feuchten Standorten angebaut werden, die für konventionelle Landwirtschaft entwässert werden müssten oder nicht nutzbar sind. Der Flechtweidenanbau kann außerdem auf hochwassergefährdeten Standorten betrieben werden, da die Pflanzen lange Feuchtperioden schadlos überdauern und vom nährstoffreichen Hochwasser profitieren können. Weiden sind weltweit innerhalb der gemäßigten Zone der nördlichen Halbkugel bis zur Arktis verbreitet.
Um Massivholzmonofilen unterschiedliche und präzise Querschnitte verleihen zu können, adaptieren wir bekannte Prozesse zur Bearbeitung der Breite und der Dicke von Holz. Die Herausforderung dabei ist, dass die zu bearbeitenden Weidenschienen genauso wie das zu schaffende Monofil Querschnitte haben, die sehr sehr klein sind. Je kleiner das Werkstück ist, desto stärker fallen natürliche Unregelmäßigkeiten des Naturmaterials und die Eigenwilligkeit seiner Faserstruktur ins Gewicht. Das erfordert eine sehr genaue und kontinuierliche Werkstückführung und sehr präzise Bearbeitungswerkzeuge, um die Querschnitte über die gesamte quasi endlose Länge gleichbleibend herzustellen. Mit einer ausgeklügelten Führung können die für Holz ungewöhnlichen Proportionen des biegeweichen Werkstücks mit einem geradezu winzigen Querschnitt aber großer Länge trotzdem zuverlässig gefasst werden.
Der Entwicklungsprozess verläuft iterativ über eine künstlerische, handwerkliche, ingenieurs- und maschinentechnische Bearbeitung. Unter Anwendung von Do-it-Yourself-Methoden, bauen wir eigenhändig High-Tech-Low-Budget- Maschinen und wenden diese direkt an. So erreichen wir in sehr kurzen Entwicklungszyklen einen Proof of Concept. Bearbeitungsprozesse und -maschinen parallel zu dem zu erforschenden neuen Material zu entwickeln, verschafft uns große Vorteile in der Entwicklung, da Werkzeuge und Material einander stark gegenseitig beeinflussen. Indem wir diese Dualität bereits in einem sehr frühen Entwicklungsstadium berücksichtigen, erlangen wir eine starke Kontrolle über Prozess- und Verfahrensbedingungen und Gestaltungsmöglichkeiten des zu entwickelnden Materials.
Das Forschungsprojekt FLIGNUM – Endlosfaden aus Massivholz bearbeiten:
Forschungsplattform BAU KUNST ERFINDEN | Prof. Heike Klussmann | Leitung|
Steffi Silbermann, Jan Juraschek, Arne Dohrmann, Lena Hellmann, Till Ihrig, Mahyar Jalali, Clarissa Rauch, Maria Vasenina, Lisa Schreiber, Julius Abromeit, Selsela Khorasani
FG Experimentelles und Digitales Konstruieren und Entwerfen | Prof. Philipp
Eversmann
FG Trennende und Fügende Fertigungsverfahren | Prof. Dr.-Ing. Prof. h.c. Stefan Böhm
FLIGNUM wird gefördert von der FNR - Förderagentur nachwachsende Rohstoffe e.V.