Kulturmagazin
An der Bootsanlegestelle am Rondell steht eine Gruppe Studenten und lauscht den Ausführungen eines Dozenten über Fotografie. An Bord der „Stadt Kassel“ sitzen junge Menschen im Fahrgastraum verteilt und skizzieren Stadtansichten. Es sind Studenten des Fachbereiches Architektur, die an einem Zeichenworkshop teilnehmen. Vom 01. April bis 01. Oktober 2012 wird das stillgelegte Personenschiff zur „schwimmenden Plattform für Kunst und Wissenschaft“ – unter dem Namen IM-PORT//EX-PORT.
Der Name ist Programm; es geht um den Austausch zwischen verschiedenen Disziplinen – „es ist ein Mitbringen und Mitgeben“, sagt Heike Klussmann, Leiterin des Projektes und Professorin am Fachbereich Architektur, Stadt- und Landschaftsplanung. Als interdisziplinäres Universitätsprojekt findet es im Rahmen der Forschungsplattform „Bau Kunst Erfinden“ statt. Hier finden Künstler, Wissenschaftler, Studierende und Lehrende außerhalb des gewohnten Universitätsumfeldes einen ungewöhnlichen Raum für Auseinandersetzung und Dialog.
Fernweh Flüsse sind seit jeher Handelswege und Lebensadern. Als Sinnbild für (Fort)-Bewegung wecken Flüsse unterschiedliche Sehnsüchte, sie verbinden Städte und Länder miteinander. Das Leben an fließenden Gewässern hat seine ganz eigene Faszination. Auch Kassel ist eine Stadt am Fluss – obgleich diese Qualität bislang eher im Verborgenen schlummert. Diese Potentiale zu nutzen, versuchen die drei Initiatoren Andre May, Graphikstudent, Lessano Negussie und Nicolai Kudielka, beide Studenten der Architektur.
Nähe zum Wasser gesucht Die drei jungen Männer lernten sich bei einem interdisziplinären Seminar von Heike Klussmann kennen. Es entstand die Idee, gemeinsam einen neuen Ort des kreativen Austausches zu schaffen. „Ein Schiff sollte es sein“, erinnert sich Andre May, der in Kassel geboren und aufgewachsen ist. Schließlich kam der Kontakt zur Familie Söllner, den Schiffseignern, zustande, die dem studentischen Projekt von Anfang an aufgeschlossen gegenüber stand.
Phantasiereisen „Gelegentlich verirren sich Touristen hierher und fragen, wann wir ablegen“, erzählt Heike Klussmann. Nein, Flusstouren kann man mit dem Schiff nicht mehr unternehmen. Doch haben sich Menschen erst einmal an Bord verirrt, so ergeben sich auch interessante Gespräche. Und die Neugierde ist durchaus groß. Der Ort am Fluss mit seiner wechselvollen Geschichte spielt eine zentrale Rolle. Jeder verbindet mit Schiffsreisen andere Erinnerungen. „Hier finden Reisen im Kopf statt“, so Lessano Negussie. An Flüssen werden Brücken gebaut, um Ufer miteinander zu verbinden und um auf die andere Seite zu gelangen. Ein Perspektivwechsel findet statt und ermöglicht einen neuen Blick auf die Dinge - genau das wollen die Initiatoren erreichen.
Offen für alle Die Angebote wie Vorträge, Ausstellungen und Musikveranstaltungen sind offen für jedermann. Ob zufällig vorbeischlendernde Passanten, documenta-Besucher oder alteingesessene Flussanwohner – alle sollen angesprochen und zum Dialog aufgefordert werden. Auf diese Weise lassen sich im Idealfall Vorurteile und Berührungsängste abbauen. Die Initiatoren hoffen, mit ihrem Projekt den Ort am Fluss nachhaltig prägen zu können, als Ort für lebendige, künstlerische Auseinandersetzung. Es gibt ein internationales Programm in den Bereichen Talk, Show, Club, Mag und Lab, auch documenta-Künstler sind an Bord, die das Schiff als Kommunikations- und Präsentationsplattform nutzen wollen. Für bis zu 150 Personen ist die Veranstaltungs- und Ausstellungsfläche zugelassen. Die Schiffsbar ist in der Regel mittwochs ab 20:00 Uhr und samstags ab 21:00 Uhr geöffnet; jeder ist willkommen.
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