form - Zeitschrift für Design
Auf dem Bildschirm schiebt der Gestalter Ornamente hin und her, bündelt Strukturen und dehnt und überdehnt das Neue, bis ein attraktiver visueller Reiz entsteht. Computergenerierte Dekore auf dreidimensionale Objekte zu übertragen erschien bis vor Kurzem noch schier unlösbar. Mit dem Zusammenwachsen der digitalen und analogen Welt wird das anders. Dies wird auch die Material Vision in Frankfurt zeigen.
Heute werden digitale Dekore per Knopfdruck mit einem Laserstrahl in eine Werkzeugform gedampft und die Herstellung nahezu beliebig strukturierter Bauteile im Spritzgussverfahren ermöglicht. An der Produktion per Laserstrukturierung lässt sich par excellence ablesen, was wir ohnehin ahnten: Die Integration digitaler Verfahren in die Prozesskette verändert den Designprozess – und zwar massiv. Vor allem die Produkt- und Materialkultur ist von der neuen Mehrdimensionalität betroffen. Althergebrachte Werkstoffe offenbaren plötzlich ungeahnte Möglichkeiten, die sich erst bei der Verarbeitung ergeben. Auch traditionelle Baumaterialien fanden dank struktureller Weiterentwicklung bereits mehrfach den Weg in unsere Wohnzimmer. Der Einsatz innovativer Leichtbauverbundwerkstoffe erleichtert die Realisierung komplexer Entwurfsergebnisse in dreidimensionaler Form. Mechanische Notwendigkeiten fallen dabei nun oft weg.
Die Konferenz des Rats für Formgebung diskutiert die Auswirkungen der zunehmenden Digitalisierung auf das Produktdesign anlässlich der Messe Material Vision am 25. Mai. 2011. Das Motto „Designing the Weightless World“ gibt schon mal einen Ausblick auf die „neue Leichtigkeit“ im Produktionsprozess – und mögliche Nebenwirkungen. Die Diskussion der versammelten Materialinnovationen bewegt sich zwischen Multifunktionalität, Leichtbau und Nachhaltigkeit. Wie schon 2009 ist die Material Vision in die Techtextil integriert, eine Kooperation, die sich mit über 1200 Ausstellern zu aktuellen Material Visionen durchaus gegenseitig befruchtet. Zur aktuellen Material Vision zählen Großkonzerne wie BASF, Merck oder Akzo Nobel ebenso wie kleine Materialunternehmen wie BlingCrete.
Mit einer interessanten Entwicklung warten Heike Klussmann und Thorsten Klooster auf: Sie bringen Mikroglaskugeln in eine Betonoberfläche ein und verleihen dem Werkstoff damit retroreflektierende Eigenschaften. Lichtstrahlen werden von BlingCrete immer genau in die Richtung zurückgeworfen, aus der sie kommen.
Damit werden Zeichen und grafische Elemente nur in gewissen Positionen zum Material erkennbar und verschwinden in anderen Bereichen. Die Gesteinsoberfläche wird zum Gestaltungsraum für Designer und Architekten. Außerdem präsentiert die Material Vision Gewinnerbeiträge des Design Plus Award. In Kooperation mit der Messe Frankfurt zeichnet der Rat für Formgebung Material- und Produktinnovationen aus, welche fortschrittliche Wege gehen, um Fragen technischer, ökonomischer und ökologischer Natur zu beantworten. Er ist einer der wenigen Awards, der den Transfer technologischer Neuerungen in marktfähige Produkte einbezieht, also die Güte der Ausbildung interdisziplinärer Zusammenhänge an der Schnittstelle zwischen Design und Technik in die Preisvergabe integriert. Auch die Hessische Wirtschaftsförderung hat die große Bedeutung von kreativen Dienstleistern für den Erfolg technischer Innovationsprozesse erkannt und fördert seit knapp zwei Jahren mit der Publikation und Veranstaltungsreihe „Material formt Produkt“ Kooperationen an dieser besonders wichtigen Schnittstelle. Das Abschlussforum der Reihe wird am 24. Mai 2011 mit Referaten aus der hessischen Kreativszene und Wissenschaft stattfinden.
Professionelle Kreative finden damit auch langsam von Seiten der Politik Anerkennung als Seismographen für Zukunftsmärkte, die einen technologischen Zusatznutzen in einen Mehrwert überführen. Dass dieser Zusammenhang insbesondere von den Förderern der Nanotechnologie erkannt wurde, ist erstaunlich aber, auch nachvollziehbar. Denn hier sind die Herausforderungen, den unsichtbaren Mehrwert für den Nutzer erkennbar werden zu lassen, am größten.
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